Ansprache/ Nachruf auf Dr. Dietrich Fischer
(Katharina Winheim, Pastoralreferentin, ediert von Bärbel Fischer)
Liebe Familie Fischer,
liebe Angehörige,
liebe Trauergemeinde,
Im Evangelium haben wir von einem Sturm gehört – auf hoher See.
Die Wellen, die zuerst ganz klein beginnen, wachsen an, werden stärker. Irgendwann schlagen sie ins Boot und nehmen den Jüngern den Atem. Sie fürchten um ihr Leben. Angst macht sich breit – Angst, den Halt zu verlieren, Angst, unterzugehen. Angst, das nicht zu überleben.
Sie haben mir im Gespräch erzählt, dass Dietrich selbst viel gesegelt ist.
Wie er seine Crew zusammengestellt hat, wie wichtig ihm das Zusammenspiel an Bord war – dass jeder seinen Platz kennt, jeder seine Aufgabe übernimmt. Gerade auf offenem Wasser braucht es dieses Vertrauen ineinander. Da kann man sich keine Alleingänge leisten. Besonders dann nicht, wenn es brenzlig wird.
So wie damals auf dem See Genezareth: Die Angst steht den Jüngern ins Gesicht geschrieben. Einer hält es nicht mehr aus und schreit – in Richtung Jesus:
„Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?“
Was für ein ehrlicher Ausruf!
Vielleicht kennen wir diesen Gedanken. Vielleicht haben auch wir – nicht auf hoher See, aber im eigenen Leben – solche Stürme erlebt.
Und vielleicht hat auch Dietrich solche Momente gekannt: Stürme im Leben, Unsicherheiten, Phasen des Zweifels oder der Erschöpfung. Zeiten, in denen man nicht weiß, wie es weitergeht.
Und dann spricht Jesus in diesen Sturm hinein:
„Schweig! Sei still!“
Ein Wort – und der Sturm legt sich.
Fast wie aus dem Nichts. Und doch mit großer Macht.
Jesus fragt die Jünger:
„Habt ihr kein Vertrauen?“
Kein Tadel. Keine Vorwürfe. Sondern eher eine Einladung.
Vertraut mir – auch im Sturm des Lebens.
Und auf ein ganz besonderes Leben, auf das unseres Verstorbenen, wollen wir nochmal blicken:
Dietrich ist geboren am 08. April 1936 –
Gemeinsam verbrachte er seine Kindheit mit Ihnen, Herr Fischer, seinem Bruder und seiner Familie.
Seine Kindheit und Jugend war geprägt vom Krieg und Flucht – seinen Vater hatte er damals nur ein paar Mal gesehen, bevor er im Krieg gefallen ist und seine Mutter Witwe wurde. Das prägte ihn doch sehr, auch noch ins hohe Alter hinein.
Mit seiner Familie kam auf der Flucht vor dem Bombenkrieg in Köln zu seinem Opa, der in Ostpreußen Schulmeister mit Selbstversorger-Landwirtschaft war – später dann wieder nach Westen auf der Flucht vor den Russen. Von dieser Zeit hatte er in den letzten Lebenstagen, haben Sie gemeint, viel gesprochen.
Als sich die Situation ein wenig beruhigte, kamen Dietrich mit seiner Familie ins zerbombte Köln zurück – dort kamen sie in einer kleinen Wasserburg, haben sie erzählt, unter – mit wenig Raum und katastrophalen Verhältnissen.
Trotzdem absolvierte er sein Abitur in der Schule – keine leichte Aufgabe – auch mit den Schulverhältnissen in dieser Zeit.
Später zog es ihn durch Kontakte nach Aachen. Durch einen alten Freund und franziskanischen Mitbruder seines Vaters, Bruder Stanislaus in Aachen, kam er in einem Lehrlingsheim unter. So konnte er dort Maschinenbau studieren und sich das erste Geld durch Arbeit zusammensparen.
Sie haben erzählt, seine ersten Reisen – Frankreich England – waren sehr beeindruckend für ihn und eine ganz andere Welt als er bisher erlebt hatte.
Da fing er auch an, international seine Kontakte zu knüpfen und auch zu pflegen.
Das Interesse an Technik, Fahrzeugen und vor allem auch Flugzeugen das wuchs mehr und mehr – und so studierte er dann auch Flugzeugbau und dokumentierte später auch Versuche in der Flugzeugtechnologie über den Senkrechtstarter.
Im Laufe seiner Beruflichen Karriere orientierte er sich dann um, Richtung Prozessoptimierung und Logistik. Berufsbegleitend schrieb er seine Doktorarbeit über die Optimierung und Planung von Krankenhäusern. In der IABG wuchs sein Bereich zur Hauptabteilung und als Prokurist hatte er viel Verantwortung und viele internationale Kontakte.
Mit 52 Jahren hat er mit Ihrer Unterstützung, Frau Fischer, nochmals den mutigen Schritt gewagt, sich selbstständig zu machen und dort für sich selbst einen wirksameren Weg zu finden. Er hat immer wieder Neues aufgebaut, als Personal-Scout, als Geschäftsführer eines Logistikunternehmens, als Aufsichtsrat eines Kurhotels.
„Er war ein Ehrenmann“, ist über ihn gesagt worden. Aber seine Gewissenhaftigkeit, seine Ehrlichkeit sind allzu oft nicht erwidert worden. Eine Zeit, die stürmisch war, nicht immer von Erfolg und innerlicher Zufriedenheit gekrönt, was er sich so gewünscht hätte.
Sie haben erzählt, dass zwar die Arbeit immer sehr wichtig war für ihn – aber er trotzdem eine gute Work-Life Balance hatte – er nahm sich die Zeit für seine Familie.
Ja, Sie beide hatte eine große Leidenschaft miteinander verbunden, Frau Fischer – und zwar der Gesang im Chor.
Und so haben Sie beide sich im Studentenchor in Aachen kennengelernt – eine Reihe versetzt – hinter ihnen – zwar der richtige Ton, aber der falsche Text – da fielen zuerst, wie sie erzählten, dann doch ein paar böse Blicke nach hinten, 😊 bis sie beide sich schließlich verlobten und im März 1961 geheiratet haben.
Aus dem Nichts haben sie angefangen in München, gemeinsam in einer WG mit anderen Paaren und sich ihr Leben zusammengespart.
1963 und 1965 kamen noch Ihre zwei Töchter hinzu und gemeinsam bestritten sie nun das Leben.
Später zog es Sie nach Taufkirchen und Sie haben erzählt, dass er handwerklich immer so geschickt war, einfach alles selbst zu bauen, die Einrichtung auszusuchen, die Küche in allen Winkeln und Ecken zu optimieren, und jede noch so alte Waschmaschine bis zum Schluss zu reparieren!
Alte Dinge wertschätzen, das Handwerk, die Liebe zur Technik, aber auch die Liebe zur Bewegung in der Natur – das Reisen. Die Reisen mit dem Singkreis, die Urlaube, die er gerne vorbereitet, geplant und mit Ihnen als Familie unternommen hatte, waren ihm wichtig.
Einer seiner Leidenschaften war aber auch der Sport – ob Tennis, Skifahren, Langlauf, Wandern oder ganz besonders – das Fahrrad, dass man ihm am Schluss sogar wegnehmen musste, weil es wirklich zu gefährlich wurde.
Diese ganzen Leidenschaften, die zogen sich bei ihm durchs Leben. Er war viel unterwegs in der Welt und hat vieles gesehen – und da tut es gut bei dem doch großen Leistungsdruck, von dem er seit Klein auf geprägt war – von außen, aber auch innerlich, zur Ruhe zu kommen – einen Ruheort zu haben – und das war, wie sie erzählten, beim Segeln.
Dort, wo sie ihn manchmal nochmal ganz anders erlebten – entspannt, in sich ruhend, fern von jeglichem Druck.
Er plante die Törns, die Häfen, die Crew – da ging es nach Dänemark, Griechenland, oder die Türkei – einfach mal raus aus dem Alltag – Ruhe finden, Kraft tanken.
Doch einen Ort, Kraft zu tanken – den gab es auch zuhause – vor allem, wenn die Enkelkinder wieder durch das Haus stürmten – wenn der „Spielopa“ sich Bücher ausleihen musste in der Stadtbücherei im Wohnzimmer, oder aber trotz dem künstlichen Hüftgelenk Pferdchen spielte – all das hat er damals gerne für seine zwei schönen Enkelinnen, wie er es sagte, getan.
Ja die letzten Jahre waren viel geprägt von seiner Krankheit, seiner Demenz und den Folgen und Konsequenzen, die das für Sie als Familie bereit hielt.
Keine leichte Zeit – die sie gemeinsam gegangen sind – eine Zeit voll Sorgen, Schwere, Liebe, Trauer, und all den Gefühlen, die das Leben für uns manchmal bereit hält.
Und trotz großer Angst, wie die letzte Reise für ihn sein wird, konnte er in Frieden und in Ruhe gehen. Ein Stück weit, sich in das Segelboot zu setzen in dem Jesus sitzt, und ihm zu vertrauen, dass jetzt alles gut wird.
Dr. Dietrich Fischer stirbt am 05.07.2025 im Alter von 89 Jahren.
Vertraut mir – auch im Sturm des Lebens, möchte uns das Evangelium mitteilen.
Aber wir wissen: Vertrauen ist nicht immer leicht.
Gerade dann nicht, wenn man etwas verliert, was Halt gegeben hat.
Gerade nicht, wenn man vor einem Abschied steht, den man so nicht wollte.
Gerade nicht, wenn das Leben Fragen stellt, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Vertrauen wächst oft im Kleinen – und manchmal muss es sich im Schweren erst beweisen.
Es braucht Zeit. Manchmal auch Tränen.
Und trotzdem – oder gerade deshalb – dürfen wir daran festhalten:
Auch wenn wir es nicht immer spüren, auch wenn der Glaube leise wird –
Jesus ist da.
Er ist da, auch im Boot unseres Lebens, wenn es schaukelt, wenn der Himmel sich verdunkelt, wenn wir die Orientierung verlieren.
Er verlässt uns nicht. Nicht im Leben. Und auch nicht im Sterben.
Heute geben wir Dietrich in Gottes Hände zurück – in das große Vertrauen hinein, dass er dort geborgen ist.
Dass für ihn nun Frieden geworden ist – eine Stille, die nicht leer ist, sondern voller Licht.
Und Sie, die Sie als Familie zurückbleiben, dürfen diesen Weg des Vertrauens weitergehen. Schritt für Schritt.
Mit allem, was schwer ist – aber auch mit dem Wissen:
Gott geht mit.
In jedem Sturm. Und durch jede Nacht hindurch.
Amen.